Donnerstag, 3. Februar 2022

DOGandTRAVEL trifft...

Denis Scheck & Christina Scheck

Denis Scheck ist Bücherfreunden wohlbekannt. Allmonatlich stellt er in seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ die besten Romane, Sachbücher und natürlich die Schriftsteller zu diesen vor. Besonders beliebt ist die Rubrik „Denis Scheck kommentiert die Top Ten“ in der er abwechselnd Sach- und belletristische Werke vergnüglich lobt – oder mindestens ebenso amüsant verreißt, bevor das eine oder andere Stück Papier zwischen Buchdeckeln wortwörtlich in der Versenkung verschwindet.

Gemeinsam mit seiner Ehefrau Christina Schenk, die auch als Journalistin tätig ist, und Jack Russell-Terrier Stubbs lebt der in Stuttgart geborene Kritiker nun in Köln. Alle drei zusammen sind für ein aktuelles Hundebuch verantwortlich, das tief ins Seelenleben eines selbstbewussten Vierbeiners – und seiner humanoiden Partner blicken lässt – und ganz nebenbei ebenso geistreich wie witzig die Hunde der Weltliteratur vorstellt.

Foto: Maya Claussen

Lieber Denis Scheck, Sie sind Deutschlands bekanntester lebender Literaturkritiker. Sie selbst fragen sich und Ihren Verlag in der im Buch abgedruckten E-Mail-Korrespondenz:

„Das Böse triumphiert. Die Dummheit feixt. Niedertracht und Stumpfsinn tanzen Tango auf den Tischen, während wir auf der Suche nach dem letzten Krumen Grips unter den Bierbänken mit unseren Birnen aneinanderstoßen. Und da sollen wir – ein Hundebuch schreiben?“ Sind Sie nun doch die „literarischen Zuhälter“ Ihres Hundes Stubbs geworden?

Iwo – wir wissen ja nicht zuletzt durch die Arbeit an diesem Buch längst, dass nicht wir die Halter von Stubbs sind, sondern Stubbs die Halter von uns. Unser Buch ist ja eine Hommage an verschiedene Autoren und Schreibstile der Weltliteratur – mit anderen Worten also ein Witz.

Den Anfang bildet eine Referenz an einen der schönsten deutschsprachigen Liebesromane, den wir kennen: „Schloß Gripsholm“ von Kurt Tucholsky. Dieses Buch aus dem Jahr 1931 beginnt mit einem Briefwechsel zwischen Tucholsky und seinem Verleger Ernst Rowohlt, in dem Tucholsky eine ähnliche Zeitdiagnose stellt wie unsere und Ernst Rowohlt fragt, ob ein Liebesroman in diesen Zeiten denn wirklich angezeigt sei oder ob man jetzt nicht ganz andere Bücher schreiben haben müsse. Diese Fragen haben uns auch umgetrieben – kein Wunder, wenn man etwa an den Klimawandel denkt. Wir haben diese Überlegungen aktualisiert, aus den Briefen einen E-Mailwechsel mit unserer Verlegerin Kerstin Gleba gemacht und auf unsere Zeit übertragen. Aber natürlich ist unsere Antwort dieselbe wie die des großen Kurt Tucholsky: Uns droht schon seit Anbeginn der Menschheit der Himmel auf den Kopf zu fallen, der Weltuntergang steht ständig vor der Tür. Wer da „auf den richtigen“ Moment wartet, der wird die berühmte Locke des griechischen Schicksalgottes Kairos wohl nie zu fassen bekommen – und der wird am Ende die Liebe und auch die Liebe zum Hund wohl zwangsläufig verpassen.

Ihr Vater, Herr Scheck, war eine Art „Dr. Doolittle“ und ist mit seinen Tieren – und Ihnen, Sie waren keine zehn Jahre alt – ins schwäbische Land gezogen. Dort, in der Ödnis, nahmen Sie die „Viecher“ Ihres Vaters eher als Fessel, als Belastung war. Ihr Rehpinscher, den Sie als Kind hatten, bleibt im Buch namenlos. Wann und wie sind Sie Vierbeinern, im Speziellen Hunden, endgültig verfallen? ___STEADY_PAYWALL___

Hugh Loftings Dr. Doolittle habe ich als Kind heiß geliebt, aber den habe ich mir offen gestanden immer ein wenig freundlicher und auch gebildeter vorgestellt als meinen armen Vater… Es ist aber auch fies, mit solchen Ideal-gestalten aus der Literatur verglichen zu werden, da würde ich selbst sicher auch nicht gut abschneiden.

Im Ernst, als Kind empfand ich es als Riesensauerei, dass mich mein Vater wegen seines blöden Tierfimmels aus meinem geliebten Stadtleben in ein wahnsinnig ödes Kaff mit 232 Einwohnern verschleppt hat, wo man nur dem Nichts beim nichten zusehen konnte. Und wenn ich ehrlich bin, denke ich heute darüber nicht viel anders.

Da stellt sich schon die Frage, warum man in Deutschland zwar eine Führerscheinprüfung ablegen muss, wenn man Auto fahren will, aber alle ohne jeden Eignungstest Kinder in die Welt setzen dürfen … Ein weites Feld.

Mein Vater wusste wenig mit Menschen, aber viel mit Tieren anzufangen. Mich betrachtete er als eine Art untalentieren, dafür aber auch unbezahlten Knecht, der ihm half, sein Viehzeug zu versorgen – schließlich hatte er gar nicht die Zeit dafür.

Für meine Hundesozialisierung sorgte dann aber in der Tat zum Glück sehr früh unser Familienhund, ein Rehpinscher namens Huschi. Dieser Name war mir – da berühren sie einen wunden Punkt – immer etwas peinlich, aber Neunjährige haben bei der Namenswahl von Hunden in der Regel wenig Stimmrecht. Aber Huschi war ein wirklich toller Hund, und natürlich hat sie bei mir auch einige Erziehungsversäumnisse meiner Eltern ausgebügelt, wofür ich ihr bis heute dankbar bin.

Sie leben in der Millionen-Metropole Köln. Was müsste geschehen, damit Sie eine Rückkehr aufs Land erwägen? Schließlich haben sich „Käffer“, „Ödnis“ und „j.w.d.“ scheinbar in „Landlust“ gewandelt…

Och, ich halte es da eher mit dem großen Kurt Tucholsky, der in seinem Gedicht „Das Ideal“ mal schrieb: „Ja, das möchste: / Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, / vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße …“

Zwar hat sich mir in den letzten 15 Jahren unter anderem auch durch unseren Hund Stubbs die Erfahrung der Natur anders erschlossen, aber ich kenne mich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ich an Orten ohne Opern, Kinos, Museen, Theatern und Philharmonien auf Dauer unglücklich werde.

In welchen Gegenden Kölns trifft man Sie zusammen mit Stubbs?

Bevorzugt in baumreichen Parks, davon gibt es dank des Grüngürtels in Köln ja eine ganze Menge. Auch gelegentlich am Rhein – nur düsen da die Elektroradfahrer inzwischen dermaßen entlang, dass man als Hundebesitzer lieber auf andere Runden ausweicht.

In Ihrem Buch erzählen Sie, wie Sie Stubbs bekamen. Wer von Ihnen beiden war damals die treibende Kraft und wer hatte eher Bedenken, als Ihr Hund, der dann doch recht plötzlich, an einem Heiligabend, bei Ihnen einzog?

Bedenkenträger waren wir beide, aber Christina hatte dann doch die stärkeren Argumente angesichts eines dermaßen süßen Hundewelpens. Ein solch schicksalhafter Zufall ist ja kaum zu toppen, wer da noch zögert, hat verloren. Und auf den Weihnachtsbaum haben wir in dem Jahr dann strategisch verzichtet.

Wer war oder ist in der Erziehung Stubbs‘ der eher strengere und wer der eher großzügigere Teil?

Denis Scheck: Ich fürchte, ich mache mir es da eher leicht. Und Stubbs weiß in seinem zwölften Lebensjahr natürlich längst, wie er mich um die kleine Krallen wickeln kann.

Christina Schenk: Für die Erziehung nebst Hundeschule war und bin definitiv ich zuständig. Denis mangelt es an Konsequenz. Ich sehe schlicht nicht ein, dass kleinen Hunden alles durchgehen gelassen wird, was bei einem Schäferhund oder selbst Labrador schon als ungezogen gelten würde. Bei kleinen Hunden heißt es dann, ach wie süß, was ist der frech. Nein danke. Ich möchte einen wohlsozialisierten und begleittauglichen Hund in möglichst vielen Lebenslagen. Daher auch mein Ehrgeiz mit Stubbs die Begleithundeprüfung zu machen.

Stubbs und Thomas Manns Bauschan wurden beide jeweils von einem befreundeten Gastwirt vermittelt. Was haben die beiden Hunde noch gemeinsam?

Gar nicht so viel. Stubbs wird, anders als Bauschan, nicht geschlagen. Und wir projizieren auch nicht irgendwelche Adelsphantasien in unseren Hund. Das Prinzenspiel ist nicht unsere Sache.

Eine Gemeinsamkeit wäre vielleicht, dass auch Stubbs nicht unbedingt dem Rassestandard eines Jack Russells vorbildhaft entspricht – er verkörpert von den längeren Beinen her eher ein Mix aus Jack und Parson Russell. Im Gegensatz zu Thomas Mann finden wir aber gerade diese Optik einfach fabelhaft und perfekt und grämen uns nicht über verfehlte Zuchtziele.

Sie sind beide beruflich viel unterwegs. Bei welchen Gelegenheiten begleitet Stubbs Sie?

Vor der Pandemie war Stubbs öfters in einer sehr guten Kölner Huta. Inzwischen versuchen wir unsere Termine so zu legen, dass das kaum mehr nötig ist.

Ihren allerersten Urlaub nach dem Einzug Stubbs‘, eine lang vorher gebuchte Kreuzfahrt, mussten Sie ohne ihn verbringen. Haben Sie die folgenden Jahre alle Ihre Ferien gemeinsam mit Stubbs verbracht?

Offen gestanden haben wir Stubbs so vermisst, dass wir seither vermieden haben, ohne ihn in Urlaub zu fahren. Das beschränkt den Kreis unserer Ziele auf Europa – zum Glück ist er ja leicht genug, um unter die 8-Kilo-Grenze für die Beförderung im Passagierraum von Flugzeugen zu fallen.

Was sind Ihre bevorzugten Reiseziele?

Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg. Stubbs liebt natürlich die Ostsee mehr als Venedig – entsetzlich wenig Bäume! – , eine Hausbootfahrt in Frankreich mehr als einen Städtetrip nach Madrid. Wir versuchen, da ein ausgewogenes Verhältnis hinzubekommen. Und wandern tun wir alle drei gerne.

Gehe ich Recht in der Annahme, dass Paul Austers „Timbuktu“ das für Sie beeindruckendste Hundebuch der Weltliteratur ist? Was begeistert Sie an dem Roman besonders?

Zumindest ist Austers Meisterwerk das philosophisch tiefgründigste, denn er geht darin der Frage nach, warum im Englischen „dog“ von hinten gelesen „god“ ergibt: Irgendeinen transzenden Sinn muss dieses Anagramm ja schließlich haben. „Timbuktu“ ist ein Buch über den Tod. Wer will oder muss, kann daraus sterben lernen.

Welche anderen Hundebücher, die nicht unbedingt zur Weltliteratur gehören müssen, empfehlen Sie in diesem Winter hundeaffinen Menschen?

Die, die Stubbs in unserem Buch ausführlich bespricht. Das reicht von Charles M. Schultz „Peanuts“ über Sigrid Nunez und Virginia Woolf bis zu Kerstin Ekman.

Lesen und kritisieren Sie für Ihre Sendung „Druckfrisch“ lieber Sachbücher oder Belletristik?

Wir verstehen „Der undogmatische Hund“ ja als einen Beitrag zum gerade schwer angesagten Genre der bell-e-tristischen Autofiktion. Und natürlich ist mir als Literaturkritiker die Fiktion immer ein wenig näher als reine Sachtexte.

Zum Schluss eine fast schon philosophische Frage an Sie beide: Welches sind Ihre eigenen persönlichen „goldgelben Bällchen“ im Leben?

So uneinig sind wir mit Stubbs da gar nicht. Ein schöner Napf respektive Teller, ein gutes Buch, ein kuscheliges Eckchen auf dem Sofa, ein Park im Herbst, ein Schwumm im Hochsommer. Da finden wir uns durchaus wieder. Na gut, eine sprachlich exakt fixierte neue Beobachtung, ein gelungener Satz, eine treffende Formulierung: auch das hebt die Laune. Wir müssen dabei allerdings nicht zwingend auf einem Hartgummibällchen rumkauen.

Herr Scheck, Frau Schenk, herzlichen Dank für das Gespräch.


Dieser Beitrag erschien in DOGandTRAVEL Nr. 35

„Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos.“ – frei nach Loriot.

Eine unerhörte Liebesgeschichte: Als der unfassbar niedliche Jack-Russell-Terrier Stubbs beim Ehepaar Schenk/Scheck einzieht, stellt er nicht nur ihre Welt auf den Kopf. Sondern auch ihre Sicht auf die Literatur. Höchst amüsant und originell erzählt „Der undogmatische Hund“ von einer wunderbaren Ménage-à-trois und macht uns bekannt mit den berühmtesten Hunden der Weltliteratur. Sie werden Stubbs nie mehr vergessen, soviel sei versprochen.

Ihre Liebe hat einen Namen: Stubbs, im Ruhrpott geborener Jack-Russell-Terrier. Jahrelang haben Denis Scheck und Christina Schenk ihrer Sehnsucht nach einem Hund widerstanden. Zu eng die Etagenwohnung, zu reisefreudig ihr Lebensstil. Bis ein befreundeter Koch ihnen einen Hundewelpen zeigt und sie dahinschmelzen wie Eis in der Sahara. Das neue Familienmitglied verändert nicht nur die Beziehungsdynamik. Sondern auch ihren Blick auf die Welt: Sie wird reicher, kurioser, überraschender.

Klug und geistreich erzählen Denis Scheck und Christina Schenk von verrückten Begegnungen auf dem Hundeplatz und auf Reisen. Nicht alle reagieren so krass wie Henryk M. Broder, dem beim Anblick des Hundes spontan der Satz entfährt: „Kann er denn schon Heil Hitler?“ Aber wie ein Mensch tickt, das verrät Stubbs immer sehr schnell. Und er hat noch viel mehr in petto: Selten wurde Weltliteratur so vergnüglich erzählt. Was, glauben Sie, passiert, wenn Sie die Literaturgeschichte mit den Augen eines Hundes betrachten? Sind Sie bereit für Cujo, Bauschan, Snoopy und ihre Freunde?

Ein Buch, das BELLetristik neu definiert.

„Der undogmatische Hund. Eine Liebesgeschichte zwischen einer Frau, einem Mann und einem Jack Russell“ des Ehepaars Denis Scheck und Christina Schenk ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und für 22 Euro im Buchhandel erhältlich.

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